Lieber Hans,
ich glaub mich zu erinnern, dass dich nie jemand Johann genannt hat und für mich warst du damals ja sowieso nur der Papa. Ich hab lange überlegt, wie ich den wahrscheinlich tausendsten nicht geschriebenen Brief überhaupt anfangen könnte.. „Lieber Papa“ oder „Lieber Vater“? Nein, einfach nicht stimmig für einen Menschen, dem ich schon als Kind so fremd und gleichzeitig so nah war. „Lieber Erzeuger“ – so wie ‚Ok ich würdige deinen biologischen Anteil an meiner Person, aber sonst geh scheißen?‘
Du merkst, sogar die Anrede ist hier gar nicht so einfach, ich hab mich jetzt für Hans entschieden.
Warum und warum jetzt?
Vielleicht, weil ich jetzt so alt bin wie du, als ganz viel in deinem Leben bereits entschieden war oder einfach nur weil ich jemanden getroffen habe, der soviel mit dir gemeinsam hat, dass es mich manchmal schaudert.
Ich habe lang überhaupt nicht verstanden, wie so eine intelligente und feinfühlige Frau wie meine Adoptivmutter sich überhaupt mit dir einlassen konnte. Warum hat sie nicht gleich beim ersten Date, als sie die Waffen an deiner Wohnzimmerwand gesehen hat, die Flucht ergriffen?
Als sie noch lebte, habe ich sie das oft gefragt, sie konnte mir das nie wirklich erklären und mittlerweile glaube ich, manches kann man nur dann verstehen, wenn man es selbst erlebt hat.
Ganz ehrlich habe ich auch nie wirklich verstanden, warum du sie erwählt hast, waren die Frauen in deinem Leben davor und danach eher durch ihre Gehorsamkeit und freiwillige Unterordnung gekennzeichnet, was bei deiner psychischen Störung auch deutlich mehr Sinn macht.
Was wolltest du mit dieser Frau, die drei Kinder alleine aufzieht und auch beruflich voll im Leben steht, was hat dich getrieben, hast du wirklich geglaubt, sie würde sich deiner Person einfach unterordnen, so wie es deine Mutter immer getan hat?
Mittlerweile kann ich viel davon für mich beantworten, da es anscheinend mehr als ein Gerücht ist, dass jedes Mädchen sich irgendwann in einen Menschen verliebt, der so ist wie ihr Vater.
Ich war lang wirklich hochnäsig genug zu glauben, mir würde das nicht passieren können, bist du doch für mich in so vielen Punkten das absolute Negativ-Beispiel an einem Mann, in den man sich verlieben könnte. Ich dachte immer, ich würde Dank meiner ausgiebigen Schulung durch deine Person so einen Menschen wie dich schon auf Kilometer-Entfernung erkennen können und lang war es auch so. Sie pra(h)lten alle an mir ab, mit ihrem Geschwurbel über Zuneigung und Liebe, von dem sie genauso viel wussten wie ein Blinder von Farben.
Wie konnte es also ausgerechnet mir dann auch passieren? Eine gute Freundin von mir meinte, ich wurde diesem Mann zugeführt und das ist sicher ein Teil der Wahrheit, sonst hätten sich unsere Wege vermutlich nie getroffen. Das ist aber nur der persönlich leichter erträgliche Teil daran, die Wahrheit liegt eher darin:
Ich wollte ihm einfach glauben.
Ich wollte so unbedingt daran glauben, wenn er von sich und seinem Leben erzählte. Ich wollte glauben, dass er nie so wie sein soziopathischer und narzisstischer Vater sein wollte und gerade ich will über seltsame Väter und ihre Kinder schließlich nicht urteilen. Ich wollte glauben, dass er sich damit bereits auseinandergesetzt hat. Ich wollte daran glauben, dass er mich liebt. Ich hörte nicht auf mein Bauchgefühl, das mir immer wieder sagte: „Pass‘ auf, da stimmt etwas nicht.“ Ich hörte nicht auf meinen Körper, der sich auch schon gegen diesen Eindringling begann aufzulehnen. Ich hörte nicht auf meine Freunde, die in ihm sofort erkannten, was er ist.
Ich rechtfertigte mein Bleiben damit, mir hier etwas abholen zu müssen, das ich nirgendwo anders bekommen kann. Und zumindest in diesem Punkt hatte ich Recht, nirgendwo anders hätte ich mir so viel menschlichen Abgrund auf so vielen unterschiedlichen Ebenen gleichzeitig reinziehen können und nirgendwo anders hätte ich mir beweisen können, auch so jemanden wie dich nochmal zu überleben.
Ich war noch klein, als du aus meinem Leben gegangen bist, ich war zwar immer widerspenstig, aber leider auch immer naiv im Glauben an das Gute im Menschen und damit auch in dir. Ich hätte es zwar bei dir vielleicht auch besser wissen können, aber als Kind ist ja auch das Schlimmste normal, man kennt ja nichts anderes. Ich dachte es ist normal, dass einem der eigenen Vater erzählt, die kleinen Flaschen mit den Marillen drauf sind Marillensaft und mir dann genüsslich dabei zusieht, wie ich das Schnapsfläschchen leere.
Ich vertraute deinen Worten wieder, als du mir die chinesische rote Sauce als Marmelade verkaufen wolltest. Ich vertraute dir, ich vertraute dir sogar noch Jahre später, dass du dich bei mir melden würdest, auch wenn du mich nicht mehr für deine Zwecke brauchtest.
Tja, wir wissen beide, wie es wirklich war, auch wenn du gerne heute noch die Geschichte des armen Opfers erzählst, der seine Tochter ja sehen wollte, aber…
Das Schlimmste daran war zusehen, dass es immer Menschen gibt, die dir den Scheiß wirklich glauben. Das waren lang die Menschen, die ich fast noch mehr verachtete als dich.
Was ich aber an dieser Stelle wirklich bewundere ist deine absolute Ehrlichkeit gegenüber den Menschen, die dir nicht nützlich waren oder von dir in irgendeiner Form abhängig. Du hast aus deinen Rachegelüsten nie einen Hehl gemacht, nein, du hast sie sogar gerne benutzt, um dich in der scheinbaren Überlegenheit zu sonnen. Dein Motto: „Du kratzt mich, dafür wirst du sterben!“
Ich habe damals leider unerwähnt gelassen, wie lächerlich ich das immer fand und dass es mich mehr schockiert hat. Wirklich – ich hielt dich für intelligenter, aber in einem gewissen Alter sind Eltern automatisch irgendwie für alle wie Gott. Doch eines hast du bei all dem Wahnsinn immer konsequent versucht mir beizubringen, nämlich dir nicht zu vertrauen und das ist vielleicht dein größter unbeabsichtigter Liebesbeweis an mich.
Unbeabsichtigt sicher, denn ich habe dich gekratzt – und ich lebe noch immer!
Ich habe sogar studiert und Unternehmen geleitet und das obwohl meine Kette nie über Schlafzimmer und Küche hinausreichen sollte.
Du wärst sogar fast Großvater geworden, aber leider war der Kindsvater so wie du und vielleicht in manchen Punkten sogar schlimmer, weil er dabei auch noch für sich selbst glaubt, es wäre etwas anderes als Rache, Hass oder nur einfache absolute Leidvermeiderei, die ihn zu einem Monster macht. Er ist da ein wenig anders als du, er hat altersbedingt schon ein bissal New-Age-Schwachsinn dazugemischt. Du kennst diese Typen, die sich immer nur auf das Positive konzentrieren wollen und hoffen, wenn sie die Dunkelheit nicht sehen wollen, sieht sie auch sie nicht. Lustigerweise lehnt er die Eso-Weiber – wie er sie nennt – zwar genau deswegen ab, aber es scheint auch irgendwie ein Naturgesetz zu sein, dass man für die eigenen dunklen Flecken gerne mal blind bleibt.
Manche von uns werden mit den eigenen dunklen Flecken erst konfrontiert, wenn sie Kinder haben, aber auch das sollte dir zumindest in der direkten Konfrontation erspart bleiben. Dort sind die eigenen Unzulänglichkeiten dann oft noch unverzeihlicher als bei einem selbst.
Aber derlei Ambivalenzen sind dir ja nicht fremd, du benutzt sie schon dein ganzes Leben lang, um Menschen für deine Zwecke zu manipulieren, der einzige Unterschied ist, du hältst dich nur dann für einen guten Menschen dabei, wenn es der Situation dienlich ist.
Manchmal, als ich so – schwanger von einem Mann, der angeblich keine Kinder zeugen konnte – in der kalten Werkstatt saß, stellte ich mir vor was passiert wäre, wenn ihr Beide euch kennengelernt hättet – so von einem Soziopathen zum Anderen.
Hättest du Ihn beglückwünscht, wenn er mir Telefon und Autoschlüssel irgendwo im nirgendwo wegnimmt und mich nicht gehen lässt oder körperlich aggressiv auf mich los geht, ich mit deinem Enkel schwanger. Hättest du ihm dann vielleicht sogar auf die Schulter geklopft mit „Super, weitermachen!“ oder hätte es dich in deinem MännerStolz getroffen und du hättest ihn erschossen? Das Schlimme ist, ich kann mir beides vorstellen, je nachdem wer noch dabei wäre, vor dem du dich beweisen musst oder auch nicht, nur nichts dazwischen und schon gar nichts für mich.
Ich habe mich immer gefragt, was bringt einen Menschen dazu so zu sein, macht das glücklich oder zufrieden? Ist es nicht furchtbar anstrengend nicht nur sich selbst zu belügen sondern auch alle Anderen? Ich habe so viel nie verstanden und nachdem ich anscheinend wirklich alles immer verstehen muss bis in die letzte Körperfaser, ist es wohl auch kein Zufall, dass mir ein Mann passiert, der genauso ist wie du, nur verpackt in scheinbar reflektiertem zuckerlrosa spirituellen Paradieszuckerlpapier.
Es fing alles an wie im Märchen und das im Paradies, umgeben von wunderschöner Natur, es schien alles perfekt. Perfekt auf allen Ebenen, solange ich 24 Stunden am Tag sein Ego fütterte, nicht widersprach und sein Leben mit ihm führte. Du kannst dir vorstellen, das blieb nicht lang so und es begann mit kleinen Abwertungen meiner Person, zwischen all den schmalzigen Liebesschwüren.
Du kannst dich vielleicht nicht mehr erinnern, aber das war doch auch die Masche bei meiner Adoptivmutter, oder? Berechnend in das Gegenüber einfühlen und dann genau wie der gewünschte Mann verhalten, solange bis man nicht mehr muss, weil sie entweder eh schon abhängig und oder zu erniedrigt ist, um sich zu wehren.
Bei dir endete die Schönwetterphase bereits mit der Hochzeit, aber meine Mutter war stur und blieb. Sie blieb sogar noch, als du sie nicht viel später mit der Frau deines Bruders betrogen hast, nein, sie nahm dich zurück. Ich kann mich an keine Zeit erinnern, wo ihr nicht gestritten habt, sie war einfach nicht klein zu bekommen, aber loslassen konntest du sie auch nicht so einfach. War sie doch die erste Frau, wo du dich etwas von deiner eigenen Mutter entfernen konntest. Ich hab diesen Punkt früher nie gesehen, deine Mutter. Ich dachte immer ein tyrannischer und schlagender Vater reicht aus für deinen Schaden, aber es erklärt vieles nicht ausreichend. Ich habe das erst wirklich begreifen können, als ich die Mutter des Kindsvaters kennenlernen durfte.
Puhhh.. eine sehr arme Frau, die es bis heute nicht lassen kann, sich alle zwei Sekunden auf Kosten ihrer erwachsenen Kinder zu erhöhen. Und wie reagieren ihre Kinder? Ich glaube Hassliebe ist das Treffendste, das mir dazu einfällt. Einfach genau so, wie sie es von klein auf kennen, für jeden schönen Tag muss es einen in der Hölle geben. Für jeden netten Satz zumindest zwei, die das genaue Gegenteil sagen – und die hört man am Besten gar nicht. Hast du gewusst, dass jeder Narzisst auch einen Co-Narzissten hat. Genauso furchtbare Menschen in ihrer Wirkung auf Körper und Geist, aber Opfer sein ist meist doch attraktiver als Täter in unserer Gesellschaft, vor allem für Frauen.
Warum erwähne ich das? Weil ein Narzisst nicht dauerhaft ohne Co-Narzissten existieren kann. Und die eigene Mutter eignet sich dazu ganz wunderbar, hat sie die bedingungslose Unterstützung ja schon mit der Geburt zugesagt und wenn der eigene Vater da schon vorgearbeitet hat, liegt es fast auf der Hand, wie sich diese Beziehung entwickelt, fast entwickeln muss.
Herzlichen Glückwunsch! – Du bist per Definition ein Muttersöhnchen, ich weiß das schmeckt dir jetzt gar nicht, aber du bist wie immer nicht hier und selbst wenn? Wenn es nicht so traurig wäre, müsste ich fast darüber lachen.
Warum? Es beantwortet ganz nebenbei die Frage warum meine Adoptivmutter, warum ich in meiner Beziehung, warum gerade wir bei solchen Männern landen, warum gerade Frauen wie wir….!??! Genauso wie er bist du dir zumindest unbewusst bewusst, dass du aus dieser Beziehung nie als echter Sieger hervorgehen kannst und genauso sehr wie du deine Mutter liebst immer auch genauso verachten wirst. Du kannst sie nicht töten, du kannst sie nicht ficken, du kannst nicht damit leben. Leider für dich kannst du dich auch nie davon lösen, ohne von ihr eingeflüsterte Bedingungen des Lebens zu verletzen. Die Bedingung, dass du ohne ihrer oder der Anerkennung anderer zum Beispiel nichts wert bist. Das du nur wenn du leistest etwas zählst. Oder einfach nur, dass du genauso bist wie dein Vater, weil… oder oder oder…
Vergiss nicht, die indirekte Manipulation ist die einzige Waffe, die Frauen über Jahrhunderte hatten.
Sie spielt dieses Spiel schon lang und ganz sicher länger als du und wenn du jetzt denkst, nein, ich lass mich nicht manipulieren, ich habe die Zügel in der Hand, dann bist du wiedermal dümmer als du denkst. Unterschätze nie deinen Feind, auch wenn er sich in alten Altweiberklamotten versteckt und sich Mutter nennt. Was hast du mir gelernt – vertraue niemandem, auch wenn er sich Vater nennt.
Ich muss dich enttäuschen, auch wenn sie es selbst glauben mag, sie wollte vielleicht nie dein Bestes. Sie war und ist einfach zu schwach für dein Bestes, sie hat es auch nie für sich selbst geschafft. Deswegen auch meine Adoptivmutter, die war stark, die war offenen, ehrlichen Herzens, strahlend und wollig warm, Mutter, alles was du immer gern gehabt hättest, nur stellte sie ungewohnte Ansprüche an dich. Du warst ja auch ihr Mann und nicht ihr Sohn und so wolltest du ja auch gesehen werden, als Mann. Endlich gesehen, geliebt und respektiert. Was du in deiner Rechnung immer irgendwie vergessen hast zu hinterfragen, ist das es für deine Frau auch gelten muss für eine glückliche Beziehung auf Augenhöhe. Aber ich glaub, dieser Umstand war dir daran nicht bewusst, woher auch – von zu Hause kanntest du es nicht und von deinen seltsamen Beziehungen davor? Nein, leider auch nicht, die haben ja das gewohnte Bild der Unterwerfung und Anhimmelung mitgespielt, glücklich, endlich für jemand anderen scheinbar wichtig zu sein oder dich eiskalt auszunutzen. So viele verletzte Kinder, die Erwachsen sein spielen und dabei nicht einmal ihre eigene Rolle erkennen und annehmen können.
Es ist einfach nur zum Kotzen und vielleicht auch eine Erklärung, warum ich als Kind regelmässig alle paar Monate nur mehr kotzen musste. Zuviel unreflektierter Shit macht krank, deswegen mal gleich wieder raus. Zugegeben, nicht die beste Methode, aber zuverlässig wenn es ums Überleben in toxischen Verhältnissen geht.
Hast du dich eigentlich jemals gefragt, warum du seit dieser ganzen Aktion immer kränker und kränker wurdest? Ich meine, du hast schon wie ich dich das letzte Mal vor Jahren zufällig gesehen habe unglaublich schlecht ausgesehen. Hat nicht einmal die Impotenz dich zum Erforschen der Ursachen gedrängt? Wirklich, du Armer, aber so ist es nun mal, wenn man seine Seele so bescheißt. Ich weiß du hast immer geglaubt, du seist unbesiegbar und unverwundbar. Ich verrate dir ein Geheimnis, so gern du alles auf irgendwas oder irgendjemanden schieben möchtest, die Medikamente, die Alte oder wenn auch immer, es bist nur du! Du hast damals noch gemeint, wie toll deine neue Frau damit umgeht. Ich verrate dir noch ein Geheimnis, die war vielleicht sogar froh darüber. Frauen nehmen beim Sex etwas auf und zwar nicht nur dein Sperma, sondern auch deine Energien. Vor allem wenn sie sich Ihrer eigenen Identität nicht bewusst sind.
Meine Adoptivmutter meinte dazu immer „Gottes Mühlen mühlen langsam, aber gerecht.“ Ich glaub das war auch manchmal das Einzige, was sie neben der Liebe zu ihren Kindern am Leben gehalten hat. Du hast jahrelang versucht, ihr, mir, uns auf allen Ebenen zu schaden oder zumindest Steine in den Weg zu legen und du hast nichts davon geschafft, zerfrisst dich das innerlich oder doch nicht, weil du in dir drinnen eh weißt was du für ein Arschloch bist?
Ich glaub, es ist das Arschloch-Sein, sonst wärst du vermutlich nicht so irrational ausgezuckt, als ich dir das ins Gesicht gesagt habe. Du wolltest mich verklagen, kannst du dich noch erinnern. Wie du schnaubend wie ein Stier, käseweiß auf mich zugestürmt bist und sich deine Stimme überschlagen hat. Du wirktest wirklich erstaunt, dass ich dich überhaupt für einen Arsch halte. Ich hätte es drauf ankommen lassen, hättest du mich verklagt, so öffentlich blamiert hast du dich sicher noch nie zuvor. Und du hättest dich selbst enttarnt, wie so oft, aber keine Sorge, die Stummen, die Dummen und die Ja-Sager wären sicher trotzdem in deinem Hofstaat verblieben, aber reicht dir das wirklich?
Weißt du, was daran das Schlimmste war dich als Vater zu haben, fernab von meinen eigenen ungesunden Tendenzen? Nachdem du dich deinem Scheiß nie entgegen gestellt hast, musste ich es tun. Weißt du, warum du trotz erfolgreicher Zeugung nicht Großvater bist? Damals, als das Kind trotz widrigster Umstände noch in mir gewachsen ist und ich es gerade unter Aufwendung der letzten Kraftreserven nach Wien geschafft hatte, weg von diesem aggressiven und auf allen Ebenen überforderten narzisstischen Kind(svater), stand ich mit Tränen in den Augen am Fenster und sprach mit dem kleinen Pünktchen in mir. Ich weinte bitterlich und meine Worte waren:
„Ich stelle mich dir nicht in den Weg. Ich gebe dir meinen Körper, mein Herz, meinen Verstand, meine Erfahrungen, alles was ich hab und bin, aber ich werde dich vor dem unerlösten Wahnsinn deines Vaters nicht beschützen können, ich kann es grad nicht einmal für mich selbst. Er wird dich benutzen für seine Zwecke, er wird dich loben und im gleichen Satz erniedrigen. Er wird sagen „Du kannst mir vertrauen.“ und trotzdem wirst du dich nie sicher fühlen. Er wird dich mit zu seiner Mutter nehmen, und sie wird dir antun, was sie schon ihm angetan hat. Und wenn ich nicht einfach mitmache, wird er alles probieren, um dich mir wegzunehmen und zwar nicht, weil er dich liebt und dein Bestes will, sondern weil er nicht anders kann. Er macht keine Fehler und er wird sich nie bei dir entschuldigen – selbst wenn er im Unrecht war – und er macht das alles natürlich nicht, weil er ein schlechter Mensch ist sondern weil er gar nicht anders kann. Alles andere würde sein ganzes Sein in Frage stellen und den Mut sich in Frage zu stellen, hat er nicht – auch trotz dir nicht. Wenn du das alles wirklich willst, werde ich auch mein Leben geben um dich zu beschützen – aber einfach wird es für uns beide nicht werden.“
Es dauerte nicht einmal zwei Tage und ich bekam Blutungen und nochmal ein paar Tage, bis ich das kleine Bündel totes Leben in meinen Händen hielt.
Du hast mir mal erzählt, dass meine Mutter vor mir auch einige Fehlgeburten hatte, und dass du auch jedes Mal versucht hast zu retten, was vielleicht zu retten ist. Ich muss sagen, auch der potentielle Kindsvater war unglaublich traurig, aber auch bis heute nicht fähig, sich mit seiner Rolle dabei auseinander zu setzen. Seine Rolle hatte sich schon mit dem Basteln eines kleinen Sarges wieder erledigt. Der wahre Narzisst hat und macht ja keine Fehler, genauso wie du? Vielleicht hättet ihr euch wirklich gemocht. Wer weiß das schon so genau. Weißt du was das Schönste daran ist, dich als Vater zu haben? Es ist mir dadurch möglich, solche Situationen nicht nur zu überleben, sondern letzten Endes auch zu lenken. Irgendwann war mir auch in meiner Beziehung klar – ob ich es wollte oder nicht – er ist so wie du und ich hab mich daran erinnert, wie es meine Adoptivmutter geschafft hat, mit halbwegs heiler Haut dich loszuwerden. Ich glaub es war ihr gar nicht so bewusst, weil es eine natürliche Reaktion auf ständige Verletzungen aller Art ist, sie hat sich zurückgezogen. Sie hat dich nicht mehr teilhaben lassen an ihrer Energie, ihren Träumen oder ihrer Liebe und die Zeit dazu genutzt sich selbst wieder auf die Beine zu stellen, oft sehr zu deinem neuerlichen Missfallen. Nichts kränkt einen Psychopathen mehr, als wenn er die scheinbare Macht oder Kontrolle verliert. Eure Beziehung war schon tot, als ich noch ganz klein war, aber sie konnte nicht gehen, sie hätte mich und auch all ihre Hoffnungen opfern müssen und so versuchte sie den Schaden auf allen Ecken und Enden zu begrenzen, auf ihre Kosten. Sie hat dich die Hälfte der Zeit nur noch ertragen und nicht mehr getragen, manchmal hast du mir da schon fast leid getan. Warum du nicht früher gegangen bist? Ganz einfach, ohne passenden Ersatz konntest du auch nicht existieren..
Dass es mehrheitlich ein fettes Minusgeschäft für euch Beide war, vergisst man gern in der Hitze des Gefechts, aber sie hat schlussendlich bekommen was sie wollte, du auch? Die groß angekündigte Rache war nicht dein, oder?
Ich verrate dir noch ein letztes Geheimnis an dieser Stelle, du hättest gar nicht wieder eine andere Frau heiraten müssen, du hättest es viel billiger auch haben können. Du holst dir dein Goodie, deine fehlendes Selbstwertgefühl einfach von allen möglichen Menschen ab, die dir unterkommen. Du kannst doch so charmant und intelligent sein und der geborene Führer, also unzählige Möglichkeiten, sich auf Kosten anderer zu erhöhen oder gut zu fühlen, aber nie soviel und solange, dass es jemandem wirklich auffällt, wie armselig du in Wirklichkeit bist. Ist das nicht vielleicht eleganter und es funktioniert doch auch und schadet meist weniger, als dich einer Person ganz zu zumuten. Ach, ich vergaß bei meiner Überlegung: Du bist schon lang nicht mehr der tolle Hecht, der du gern wärst. Krank, alt, impotent, da macht dann Heiraten doch mehr Sinn. Mein kleiner Narzisst hat dazu auch immer gesagt, er heiratet nur noch seine Altersversorgung, sonst sieht er darin keinen Sinn.
Diese Gemeinsamkeiten – es schaudert mich immer wieder.
Ein ganzes Leben bestehend aus Selbstbetrug, Rache, Hass und absoluter Leidvermeiderei, auf Kosten von wahrer Liebe, Zuneigung und Anerkennung. Schwerkrank dahinsiechend, das komplette letzte Lebensdrittel umgeben von niemandem, der wirklich DICH liebt, aber ich bin mir sicher, du kannst dir auch das irgendwie schönreden.
Ich finde es nicht schön, sondern traurig – aber wer bin ich schon? Nur deine einzige Tochter.
Alles Liebe (ich weiß, du brauchst es)
Deine Tochter